Ich war schon mehrmals an diesem kleinen Laden in der Gärtnerstrasse vorbei geschlendert und hatte mich jedesmal über die kuriose Auslage gewundert: Masken, Hüte, Schminkutensilien und Kostüme. So konnte ich es nicht unterlassen, am letzten Tag meines Hamburg-Aufenthaltes den Laden kurz zu besuchen. Ich kaufte etwas und wurde von einem freundlichen Herrn bedient, der das Pensionsalter offensichtlich schon längst überschritten hatte. Als ich wieder zuhause war, packte mich die Neugier und ich begann, ein bisschen über den kuriosen Laden zu recherchieren.
Alles begann im Juni 1983, als die 23-jährige Heike Passarge mit ihrem Lebenspartner Götz Vincentz an der Gärtnerstrasse 30 das "Café Da Vinci" eröffnete. Mehr als Jux entwarf Vincentz zum zehnjährigen Jubiläum das Spiel "Normal ist das nicht", das sich in den folgenden zehn Jahren über 20'000 Mal verkaufte. Motiviert vom Erfolg des Spiels erfüllte sich Passarge einen Traum und gründete 1995 den "Da Vinci Spiele-Verlag". Götz Vincentz entwirft zwei weitere Spiele: "Mehr Meer für Sandy" und "Tamaras Mäandertal", die in den folgenden zwei Jahren erschienen. 1998 schlossen sich unter Federführung von Heike Passarge dreissig Spielautoren zur "Spiele-Hansa" zusammen, mit dem Ziel, einen gemeinsamen Katalog zu erschaffen. Das Hauptquartier der Interessengemeinschaft wurde das "Café Da Vinci". Infolge erschienen die Spiele "Eins, Zwei, Dreikäsehoch" von Christoph Cantzler und "Esperance" von Götz Vincentz, das zum bekannteste Spiel des Kleinverlags avancierte. Im Jahr 2000 musste das "Café Da Vinci" schliessen. Heute ist an derselben Lokalität das Café "Zum Glaskasten" zu finden. Der Spieleverlag war von der Schliessung nicht betroffen. Vielmehr hatte Heike Passarge nun endlich Zeit, ein eigenes Spiel zu entwickeln, dass 2001 erschien: "Dödel Dumm". Im Januar 2005 wurde schliesslich das "Da Vinci's Mercato Creativo" an der Gärtnerstrasse 28 eröffnet, eben jener kuriose Laden mit allerlei Faschings-Krims-Krams in der Auslage. Und im Februar wurden an der Spielwarenmesse Nürnberg die Spiele der "White Line" vorgestellt. Ein Jahr später strebte Passarge einen Rechtsstreit mit dem italienischen Spieleverlag "Da Vinci" an, der in der Spieleszene äusserst negativ aufgenommen wurde. So erschienen 2007 noch einige Spiele zum 555. Geburtstag von Leonardo Da Vinci, anschliessend wurde es ruhig um die umtriebigen Spielemacher aus der Gärtnerstrasse. 2008 starb der bekannte Maler und Grafiker Karel Novosad (*1944), der die meisten Da Vinci-Spiele illustriert hatte. Inwieweit dies Einfluss auf die Zukunft des Verlags hatte, kann ich nicht einschätzen. Die Webseite scheint auf dem Stand von 2007 sein. Aber sollte ich in naher Zukunft wieder einmal die Gärtnerstrasse besuchen, dann werde ich Götz Vincentz - der nette Herr, der mit 86 Jahren noch immer im Laden steht - bestimmt fragen. Spiele (Auszug): Götz Vincentz: Normal ist das nicht (1993) Götz Vincentz: Mehr Meer für Sandy (1997) Götz Vincentz: Tamaras Mäandertal (1997) Christoph Cantzler: Eins, zwei, Dreikäsehoch (1999) Götz Vincentz: Esperanca (1999) Heike Passarge: Dödel Dumm (2001) Pitanga - Mit Maria nach Bahia (2005) Piratas - Hiebe oder Liebe? (2005) Wer Wie Wat - Wer gewinnt die Strecke (2005) Wattwurm oder Schnecke? (2005) Rapido (2005) Lacuna (2005) Leer zum Meer (2005) Wer wie Watt (2005) Götz Vincentz: Da Vinci's Leonardo (2006) Götz Vincentz: Ana's Ananas (2006) Heike Passarge: Ana's Wattrennen (2006) Götz Vincentz: Ana's Ogopogo (2006) Götz Vincentz: Firenze, Milano, Roma und ich, Leonardo (2007) Götz Vincentz: Da Vinci's Leonardo Jubiläums-Edition (2007) Götz Vincentz: Da Vinci's Schnappszahlenspiel (2007)
1 Kommentar
Ja, in diesem Haus lebte vor langer Zeit des Gretchen mit den langen, rabenschwarzen Zöpfen. Wir sassen zusammen im gleichen Schulzimmer, zuerst in dem der gestrengen Frau Kronauer, dann, im Schulhaus nebenan, in dem des milderen Walter Günter. Weil wir uns mochten, durfte ich das Gretchen ungestraft an seinen Zöpfen ziehen. Dafür liess ich es etwa beim Versteckenspielen oder beim Klettern an der Kletterstange gewinnen, und ich überreichte ihm kleine Geschenklein: es schöns Chräueli, Heugeli oder einen Schleckstengel, den ich beim "Emil Geiser" oder "Max Iff" hatte ergattern können. Robert Roth, Do isch doch Aube, Benteli Verlag 1985 Es ist inzwischen einige Jahre her, als ich aufgrund der Unterlagen zur Neugestaltung des Wuhrplatzes in Langenthal auf den Autor Robert Roth stiess. In seinen beiden Bücher "D'Langetu chunnt" (1978) und "Do isch doch aube..." (1985) erinnerte sich der Autor an Menschen und Begebenheiten, die in den 20er- und 30er-Jahren in Langenthal Geschichten geschrieben hatten. Doch was hat Robert Roth mit obigem Foto zu tun? Das Foto fand ich vor einem Jahr im persönlichen Fotoalbum meines verstorbenen Grossvaters und mich beschlich sofort das Gefühl, dass mit dem Foto eine Verbindung zu Roths Erinnerungen bestand.
Robert Roth wurde im Oktober 1919 in Langenthal geboren und wuchs mit seinen Eltern und seinem Bruder Hermann an der Bützbergstrasse auf. Im Haus nebenan wohnte damals der Kreisgeometer Weber mit seiner Frau und den beiden Töchtern Dori und Lucie. Und da war noch der "Herr Lehme-Hung", der durch die grossen Gartenanlagen der Villa Lehmann (heute Altersresidenz Lindenhof) streifte. Die stattliche Dogge gehörte Samuel und Marie Lehmann, ein wohlhabendes Ehapaar, das Ländereien und Plantagen in Guatemala besass. Später besuchte Robert Roth im Kreuzfeld die Primarschule und befreundete sich mit seiner Klassenkameradin Gretchen Lüthi. In der selben Klasse war auch der "Haudeler" Walter Siegfried, der später Schweizer Meister im Fliegengewicht wurde und erfolgreichster Schweizer Boxer an der Olympiade 1936 in Berlin war. Nach Beendigung der Sekundarschule dürfte Roth das Gretchen aus den Augen verloren haben. Er durchstreifte als Jüngling zu Fuss oder auf dem Fahrrad Ungarn, Jugoslawien, Schweden, einen Teil der Sahara und die unwegsamen Pripjetsümpfe, die heute zu Russland gehören. Er studierte in München und floh im April 1943 mit seiner Braut Rita wieder zurück in die Schweiz und war später im Hauptberuf als Statistiker tätig. Doch was hat Robert Roth nun schlussendlich mit obigem Foto zu tun? Die zentrale Person ist das Mädchen auf dem schwarzen Pony. Sie fiel mir bereits auf einem anderen Foto meiner Familie in's Auge: Zusammen mit meiner Urgrossmutter und zwei Schwestern meines Grossvaters posierte sie vor dem Berner Münster. Doch niemand in meiner Familie konnte mir sagen, wer dieses Mädchen war. Es war zwar bekannt, dass jener Familienzweig in engem Kontakt zur Familie Lüthi in der Wuhr stand, doch die Existenz von Gretchen war damals niemandem bekannt. Erst der Text von Robert Roth weckte in mir jenen Verdacht, der durch das Foto im Album meines Grossvaters noch zusätzlich genährt wurde. Ich beschloss, das Foto sorgfältig aus dem Album zu trennen und traute meinen Augen kaum: Die Rückseite war vollständig beschrieben. Die Entzifferung der Handschrift erwies sich aber als schwierig, da die Ränder beschnitten und grosse Flächen durch Leimflecken nicht mehr lesbar waren. Doch schlussendlich gelang es, die Textfragmente zu entschlüsseln und der Verdacht wurde zur Klarheit. Es war am Freitag, den 8. Februar 1924. Die Geschwister meines Grossvaters, Elise, Marie, Werner und Karl, wollten ihrer grossen Schwester Rosa einen Besuch abstatten. Sie feierte an jenem Tag ihren 19. Geburtstag, doch der Besuch kam aus unbekannten Gründen nicht zustande. Begleitet wurden die Geschwister von Gretchen Lüthi, die auf ihrem schwarzen Pony ritt. Das Pony war schon lange im Besitz ihrer Familie und immer lieb zu den Kindern. Gretchen hatte den gleichen Jahrgang wie Karl, der wiederum ein Tag älter als Robert Roth war. Es ist durchaus möglich, dass der jüngste Bruder meines Grossvaters mit Robert, Gretchen und Walter Siegfried die gleiche Schulklasse besuchte. Die Umstände, wie das Foto entstand, sind nicht bekannt. Die Wintersonne stand schon tief, so dürfte es am Nachmittag aufgenommen worden sein. Als Fotograf kommt Josef Gschwend in Frage, der zwischen 1901 und 1938 sein eigenes Geschäft in der damaligen "Neuen Post" führte. Der Schatten des Fotoapparat ist sogar auf dem Foto unten links zu erkennen. Die Rückseite des entwickelten Fotos wurde anschliessend mit Glückwünschen und einigen Informationen zu jenem 8. Februar vollgeschrieben. Ob Rosa die Glückwunschkarte jemals zu Gesicht bekam, ist nicht bekannt. Das Foto gelangte schliesslich in das Fotoalbum meines Grossvaters, wo es 90 Jahre später dem Gretchen Lüthi aus Robert Roths Erinnerungen ein Gesicht gab. Robert Roth wurde 67 Jahre alt und starb im Juni 1986. Margret "Gretchen" Lüthi überlebte Robert um 19 Jahre und starb im Dezember 2005 mit 86 Jahren. Walter "Wale" Siegfried, der am gleichen Tag geboren wurde, wie seine Klassenkameradin, siedelte in den 40er-Jahren in die USA aus. Er trat der US-Army bei und diente im Koreakrieg. Er starb im April 2002 mit 83 Jahren in Arizona. Hätte mir vor 31 Jahren jemand erzählt, dass ich im Jahr 2017 das damals fertig gestellte Spiel "Tresor Panic" neu überarbeiten würde, dann hätte ich ihn wohl für verrückt erklärt. Es ist auch nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass die einzige Kopie des Spiels die Lagerung in feuchten Kellern und unzählige Umzüge auf einer 5.25"-Diskette überstanden hatte. Das Gefühl war dann auch nicht zu beschreiben, als die simple Grafik des Spiels nach knapp 30 Jahren wieder auf dem Schirm meines C64-Emulators auftauchte. Die grosse Ernüchterung folgte später, als ich das Spiel auf der Original-Hardware spielte und das "Game Over" bereits während des ersten Levels erfolgte. Das Spiel war viel zu schwer! Absolut unspielbar! Ich habe keine Ahnung, wie ich 1986 dieses Stück Software als "vollendet" betrachten konnte. Doch ich war glücklich, dass dieses Fragment meiner Jugend nicht der "digitalen Demenz" verfallen war. Es dauerte schliesslich noch zwei Jahre, bis die Idee reifte, das Spiel zu überarbeiten.
Commodore 64 Basic V2: Mich traf der Schlag, als ich das erste Mal versuchte, den PEEK und POKE verseuchten Code zu analysieren. Selbstredend, dass ich damals keine einzige REM-Zeile verschwendete, um auch nur einen Abschnitt im Programmcode zu dokumentieren. Zudem war das Hauptprogramm nur ausführbar, wenn zuvor der Loader gestartete wurde (ich weiss heute noch nicht, warum). Zudem waren in den PRINT-Zeilen diese eigenartigen Steuerzeichen, deren Sinn ich völlig vergessen hatte. So dauerte es einige Zeit, bis ich die einzelnen Abschnitte im Code verstand und die gewünschten Anpassungen machen konnte. So beginnt das Spiel nun mit einem moderaten Schwierigkeitsgrad, der sich von Level zu Level langsam steigert. Zudem wird die Punkteanzeige nun unmittelbar nach jeder Aktion aktualisiert, was eine unerwartete Modifikation der Highscore-Funktion nach sich zog. Aber schlussendlich war es vollbracht: Das Spiel war endlich spielbar! Nicht besser, aber spielbar. 31 Jahre später! Die aktualisierte Fassung kann in der Download-Sektion heruntergeladen werden. Tresor Panic (C64), Defence (C64) und King Of Napoli (Amiga) in der Download-Sektion verfügbar9/9/2017 Alle drei Spiele, die von Bruno Gut und mir zwischen 1986 und 1988 für den Commodore 64 und Amiga 500 programmiert wurden, können nun in der Download-Sektion heruntergeladen werden. "Tresor Panic" wurde im Herbst 1986 in Basic geschrieben und war eine schlechte Kopie von SEGAs "Bank Panic". Trotzdem sandten Bruno und ich eine Kopie an das neu gegründete Softwarehaus Codemasters, die auch prompt reagierten! Als die Gebrüder Darling aber erfuhren, dass wir beide noch minderjährig waren, wurde der Kontakt sofort abgebrochen.
"Defence" wurde im Sommer 1987 in Basic und Assembler programmiert und anschliessend dem Verlag Markt & Technik zur Veröffentlichung in der Zeitschrift "Happy Computer" angeboten. Die Ablehnung ist nach heutigem Ermessen gut nachvollziehbar: Das Spiel ist viel zu schwierig und die Spriteroutinen unausgereift. Zudem war die Joystickabfrage viel zu träge. "King Of Napoli" wurde Anfang 1988 in Amiga Basic geschrieben und ist ein belangloses und langweiliges Strategiespiel für den Amiga 500. Das Spiel wurde damals nicht verwertet, da sich die Interessen von Bruno Gut und mir ab Mitte 1988 stark verlagerten. Wer sich heute einen originalen Amiga anschaffen möchte, der dürfte sich über die horrenden Preise auf den einschlägigen Verkaufsplattformen doch sehr wundern. Retro-Computing ist momentan absolut angesagt und besonders auf dem Amiga-Markt scheinen die Preise förmlich zu explodieren. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, wie man seinem Retro-Hobby frönen kann, ohne gleich tief in die Tasche greifen zu müssen. Die Lösung heisst: Emulation. Die einfachste Möglichkeit einen Amiga zu emulieren, ist die Installation des Emulators "UAE" (Universal Amiga Emulator) auf dem Mac oder PC. Oder man kauft sich das Komplettpaket "Amiga Forever" von Cloanto, das für den PC verfügbar ist. Es gibt fast für jede Plattform oder Hardware eine angepasste Version des UAE. Die Basis für mein Projekt bildet ein Raspberry Pi 3 mit der auf UAE4ARM basierten Distribution Amibian von Jon Aasenden. Mit dieser Konstellation lässt sich sehr einfach und kostengünstig ein Amiga auf einer eigenständigen Hardware emulieren. Um das perfekte Amiga-Feeling zu erreichen, ist auch der Einbau in ein "echtes" Gehäuse möglich. Dank der erfolgreichen Kickstarter-Kampagne von Philippe Lang wurden neue Spritzgussformen für Amiga 1200-Gehäuse erstellt, welche die Produktion von brandneuen Gehäusen in allen Farben ermöglicht. Ein grosses Problem ist momentan die Verfügbarkeit von Amiga-1200-Tastaturen. Nach Auslieferung der neuen Gehäuse leerten sich die Lagerbestände bei den einschlägigen Händler in Windeseile. So ist man hier auf die bekannten Verkausplattformen angewiesen und bezahlt die entsprechenden Preise. Um die Amiga-Tastatur an den USB-Port des Raspberry Pi anzuschliessen, braucht es ein spezielles Interface in Form des "Keyrah V2" von Individual Computers. Von der Baumform her ist dieses Interface für den Einsatz in einem Commodore 64-Gehäuse konzipiert, bietet aber Schnittstellen für fast alle Commodore-Tastaturtypen. Ein Netzteil und ein USB-Interface komplettieren die Installation in das Gehäuse. Hierbei sind der Kreativität des Bastlers keine Grenzen gesetzt und man kann den Computer genau nach seinen Bedürfnisse konfektionieren. Man sollte aber beachten, dass nicht alle USB-Hubs für den Einbau in ein anderes Gehäuse geeignet sind. Meine Wahl fiel aus diesem Grund auf einen Premium-USB-Hub von Exsys, der vier Befestigungspunkte für Schrauben bietet.
Damit der Amiga-Emulator funktionieren kann, braucht es entsprechende Kickstart-Roms der verschiedenen Amiga-Modelle. Ich empfehle hierfür den Kauf von "Amiga Forever" von Cloanto. Die Firma Cloanto besitzt aktuell die Rechte an den verschiedenen Kickstart-Versionen und den AmigaOS-Versionen von 1.0 bis 3.1. Auch wenn sich das Software-Paket nicht auf einem Mac- oder Linux-System nutzen lässt, finden sich auf den DVDs diverse Videos und Fotos, die Kickstart-Roms und diverse Disk- und HD-Images des AmigaOS. Ich nutze meinen "Amibian 1200" mit einem OS 3.9 HD-Image und bin sehr zufrieden damit. Die Tastatur funktioniert im Zusammenspiel mit Keyrah perfekt. Ich musste aber immer wieder feststellen, dass es Probleme mit Spielen und Demos gibt, die Samples verwenden. Oft gibt es Timing-Probleme oder die Samples werden zu langsam abgespielt. |
AutorTinu Lehme Archiv
Juni 2021
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